Wenn ein Instrument, dann ein Klavier, das stand für mich schon früh fest. Aber irgendwie kam es lange nicht dazu. Als ich dann um die dreißig war, wollte ich doch einmal herausfinden, ob Klavierspielen überhaupt das Richtige für mich wäre. Da kam das Angebot zum dreitägigen Schnupperkurs eines Musikreiseveranstalters gerade passend. 3 Tage, um Klavierspielen zu lernen? Das machte mich neugierig. Wie gehen sie das an, damit es funktioniert?
Vor dem Lernen: das Tun.
Ich wurde nicht enttäuscht. Nach drei Tagen hatte ich ein Gefühl fürs Instrument bekommen – und Lust aufs Spielen. Über ein gemütliches Landhotel im Hunsrück verteilt standen für unsere Gruppe 7 Klaviere bereit. Je eins für zwei von uns. Und in unseren Duos haben wir sogar „Abschlusskonzerte“ gegeben – für die Gruppe. Dafür galt es sich festzulegen: Jazz, Klassik oder Pop? Meine Wahl war der Jazz. Von Freitag bis Sonntag erarbeiteten wir als Duo ein kleines Stück. Über die Tasten und Töne, den Klang und den Rhythmus. Notenblätter? Die kamen erst nach einer ganzen Weile dazu. Ein paar Blöcke zur Theorie waren eingestreut und kurz gehalten – und für uns spannend, weil wir schon mittendrin im Tun waren.
Erst das Reinspringen und „Lostanzen“ und dann – wenn man möchte – die Weiterentwicklung. Das kannte ich schon aus „meiner“ Ausdrucksform, dem kreativen Schreiben. So fühlte ich mich auf wunderbare Weise bestätigt: Das funktionierte also auch beim Klavierspielen. Und über die Jahre entstand in mir die Gewissheit, dass das auch beim Malen, Singen, Tanzen so geht. Also bei all den kreativen Ausdrucksformen, die wir gern ausprobieren würden, aber denken, dass wir das „nicht können“, weil wir es noch nicht gelernt haben.
Weiter am Text? Erlaubt, aber kein Muss.
Vom automatischen Schreiben bis zu assoziativen Methoden. Von Unsinn-Gedichten bis zu Klangcollagen. Vom Schreiben zu (inneren) Bildern bis zum Schreiben in Bewegung. Das kreative Schreiben bietet einen großen bunten Pool, um sich frei zu schreiben und Vorgaben und Regeln beiseite zu lassen. Am wichtigsten dabei: den eigenen inneren Zensor erst einmal in die Pause schicken.
Denn gerade auch beim Schreiben kennen wir eine Menge Theorie und Regeln, die einem den Weg zur Lust am Spiel verstellen können. Für viele ist der Gedanke ans Schreiben geprägt durch Schulzeit und Deutschunterricht, durch „Thema verfehlt“ und Rechtschreibregeln. Und ja, ein Verständnis für Satzaufbau und Textdramaturgie, für Stilmittel und dafür, wie Textsorten funktionieren – all das kann interessant sein, um das eigene Schreiben weiterzuentwickeln. Aber am besten nicht als Einstieg. Weil sonst viel Theorie und Regeln uns zögerlich werden lassen, bevor wir überhaupt den ersten Schritt gewagt – oder den ersten Ton angeschlagen haben.
Im ersten Schritt geht es darum, mit Wörtern zu spielen, sie zu (er-)finden, neu zu kombinieren, aufs Papier und in die Welt tanzen zu lassen. Und das immer wieder, auch für jene, die schon lange schreiben. Die eigene Weiterentwicklung schließt das nicht aus. Gerade die immer wieder geweckte Lust an Spiel und Sprache kann dazu motivieren, mit Perspektiven und Erzählzeiten zu experimentieren, neue Textformen erforschen und am Geschriebenen zu feilen. Aber sie muss es nicht.
Wer mag, bleibt beim kreativen Schreiben als Spielwiese für immer wieder neue Ideen. Denn das ist es auf jeden Fall. Und wer „Spiel-Anleitungen“ dafür sucht, findet sie auch hier auf Jungle Writing.
Die Autorin
Sigrid Varduhn ist Geschichten-Anstifterin. Ihre Schreibwerkstätten und Erzählspaziergänge finden in Caputh, Potsdam und Berlin statt. Infos unter sigridvarduhn