Im Frühjahr 2021 umhüllte der Corona-Lockdown ganz Deutschland wie ein schwerer Mantel, der nicht wärmt. Erinnerst Du Dich?
So ging es mir jedenfalls, obwohl ich es schon lange gewohnt war, im Home-Office zu arbeiten und ich wegen meiner Familie keinen Mangel an täglichen Kontakten hatte. Trotzdem wurde nach ein paar Wochen mit Kino-Abenden und 1000er-Puzzlen klar: Mir fehlten meine Freunde, die sich alle in ihre Höhlen verkrochen hatten.
Da kam überraschend ein Lichtblick per Post. Julia, mit der ich schon seit vielen Jahren an Kerstins ‚Schreibbankett‘ teilnehme, schickte Collagen-Postkarten an alle Schreibfreundinnen.
Nutze große Worte und schnipsel sie Dir passend.
Wir waren es seit Jahren gewohnt, ganze Samstage selig mit kreativen Schreibübungen, Essen und Plaudern zu verbringen. Julia knüpfte daran an und stellte uns die Idee der ‚Mail Art‘ vor.
Mail Art …
- ist Kunst, die gemeinschaftlich und mithilfe des Post-Netzwerks entsteht.
- Briefe und Postkarten sind die Medien, die herumgeschickt werden.
- Wichtiger als das Endergebnis ist der Prozess der kollektiven Schöpfung.
- Das ‚Ewige Netzwerk‘ steht jedem offen, einerlei ob er oder sie sich als Künstler_in versteht oder nicht.
- Mail Art hat einen unkommerziellen Charakter und hält Abstand zum etablierten Kunstmarkt.
Der Lockdown ist schon lange vorbei, aber wir kleben immer noch unsere Collagen-Postkarten. Wenn ich mich in die Karten versenke, entdecke ich die Handschrift jeder einzelnen Schreibfreundin: Eine macht aus allem ein Gedicht, eine andere Kunst, die übernächsten Gedankenspiele. Andere lieben Ausgelassenheit, und ich, immer wieder, Geschichten. Und neben den gewohnten Ausdrucksformen ploppen, wie Frühlingskrokusse, überraschende Facetten meiner Schreib-Freundinnen auf, mit denen ich nicht gerechnet habe. Alles ist erlaubt, ein Freibrief des Kreativen Schreibens.
Collagen-Postkarten sind für mich eine entschleunigte und kreative Art, in Kontakt zu bleiben. Mail-Art zu kleben bringt eine spielerische Verbundenheit, die ich nur zu gerne als Anregung in die Welt hinaustrage. Also los, gib dem spielenden Menschen in Dir Freigang:
- türme Zeitschriften in Stapel,
- reiß‘ Seiten heraus und entzwei,
- hole Dir einen verspannten Nacken beim Ausschneiden eines Ausrufezeichens,
- verkleb Deine Haare mit Papierkleber und
- komm‘ zu spät ins Bett, weil Du einer noch nie da gewesenen Botschaft Gestalt geben musstest.
Viel Spaß beim Ausprobieren!
So startest Du eine Mail-Art-Aktion
- Am Anfang steht ein Bild in Größe einer Postkarte. Das kann eine selbst geklebte Collage aus gefundenen Schnipseln sein – oder eine fertige und mit Bildern ergänzte Postkarte.
- Sieh hin: Die Bilder setzen erste Ideen frei, um was es gehen könnte.
- Manchmal steht ein Gefühl im Raum, das mit gefundenen Textschnipseln benannt, kommentiert oder entwickelt werden kann.
- Jetzt heißt es, den Text aufs Bild zu kleben und noch Raum fürs Weiterspinnen zu lassen.
- Nicht vergessen: Auf der Rückseite den eigenen Namen mit Datum notieren und – wer’s mag – auch eine Anregung, was zu tun ist.
Was kam hier auf den Tisch?
So geht’s voran
- Postkarten der Schreibfreund_innen betrachten und wirken lassen.
- Für die nächste Phase brauchst Du Zeit, Platz und Textschnipsel. Diese findest Du in Zeitungen, Zeitschriften oder ausrangierten Büchern. Es können einzelne, prägnante Wörter sein, Halbsätze oder ganze Absätze.
- Collagen-Postkarten sind oft eine Welt für sich, reich an Assoziationen und Anspielungen. Jetzt kannst Du träumen und spielen, sehen, welche Textschnipsel in den Postkarten-Kosmos passen
- … und sie dort einkleben.
- Dann: ab in die Post damit und der Reigen beginnt an einem anderen Schreibtisch von vorne.
Bitte vervollständige das Gedicht
Mitwirkende bei den gezeigten Mail-Art-Postkarten sind (in wechselnder Besetzung):
- Doris Bewernitz – Autorin
- Julia Christ – TeXtaromA
- Katja Frechen – Schreibwerkstatt für Narrative
- Constanze Keiderling
- Kerstin Krischak
- Sandra Pabst
- Isolde Peter – Die Schreibpraxis
- Ina Stachat – Papiertänzerin
Die Autorin
Katja Frechen ist Schreibberaterin für erzählendes und berufliches Schreiben – für Menschen, die wirkungsvolle Geschichten erzählen und klare, lebendige Texte schreiben möchten.
2 Gedanken zu „Mail-Art – gemeinsam kreative Texte kleben“
Macht total Spaß zu betrachten, zu lesen, zu staunen … und Lust, gleich selber loszulegen. Irgendwann mache ich das auch! 1000 Dank für die tolle Anregung!
Danke, liebe Franziska, für Deinen Kommentar 🙂 Ich freue mich, wenn der Funken überspringt 🙂