A wie anfangen …

„Ich sollte diese Kritik beginnen, mein Unterhemdträger rutscht, meine Gedanken rutschen, es öffnet sich was, ich schreibe mich ins Offene …“ Mit diesem Freewriting-Einstieg wollte ich mich dazu bringen, meine Gedanken zu der Kritik (die hier jetzt steht) zu den beiden Heften zu sortieren, die Kirsten Alers im Rahmen ihres Publikationsprojekts 26+4 gerade veröffentlicht hat: „a wie anfangen“ und „f wie Freewriting“. Aber ich habe ein bisschen gemogelt. Denn in meinen Assoziationen habe ich gleich einen zentralen Satz von Kirsten Alers hineingenommen: Über die entlastende Funktion des Freewriting schreibt sie: „Ich begegne mir an einem Ort jenseits von Richtig und Falsch. Etwas wird freigelegt, ich schreibe mich ins Offene …“

Dieses „Offene“ ist mir zuerst in der Fotografie begegnet, wo es wegführt von tradierten Motiven, Abbildungen, vom Schönen und Ästhetischen hin zu einer eigenen Bildschrift. Und ich fand es immer wieder im Kreativen Schreiben mit seinen teils wüsten Assoziationsübungen. Und jetzt eben widmet Alers diesem Offenen am Ende eine ganze Reihe.

Ein Kompendium des Kreativen Schreibens

30 Hefte sollen es werden, für jeden Buchstaben des Alphabets eines plus der drei Umlaute und ß. Sie alle widmen sich einem Aspekt des Kreativen Schreibens. Schon die ersten zwei lassen erahnen, was für ein Kompendium des Kreativen Schreibens am Ende auf uns wartet. Denn zwischen den Umschlägen der jeweils zwischen 32 und 36 Seiten dünnen A5-Heften stecken nicht nur viele Übungen mit Beschreibungen, die für alle, die Kreatives Schreiben praktizieren, hilfreich sind. Vor allem taucht Alers bei jedem Heft-Thema tief und holt Details, Abgrenzungen, wissenschaftliche Verweise, Hintergründe und Beispiele aus der Literaturgeschichte herauf. Das macht die Reihe deshalb auch für Schreib-Dozent*innen zu einem Fundus aus Wissen und Erfahrung, den es so im deutschsprachigen Raum bisher nicht gibt 

Für den Anfang: Listen

Schon in „a wie anfangen“ wird dies deutlich. Anfangen bedeutet hier nicht nur Hilfen für den Texteinstieg geben, sondern überhaupt über das Anfangen von literarischem Schreiben zu reflektieren. Wenn jemand schreibend erzählen will, wie fängt man das an?

Listen schreiben, antwortet Alers und gibt viele Beispiele, wie aus einer Liste etwas Poetisches werden kann. Dabei unterscheidet sie zwischen seriellem Schreiben, „wilden Listen“, hilfreichen Listen und schließlich den berühmten Akrostichons und seinen Verwandten Kryptichon, Mesostichon und Telestichon. Sie erklärt Schüttelmetaphern und Neologismen, zitiert Bertolt Brecht, Franz Mon und Friederike Mayröcker viele andere, die im Kreativen Schreiben sich mit Publikationen einen Namen gemacht haben. Und sie zitiert sich selbst mit Beispielen aus der eigenen Schreibwerkstatt für die jeweiligen Themen der Hefte.

Das Offene auch im Persönlichen

Gerade in dieser Mischung zwischen Wissenschaft und Persönlichem folgt sie dem, was sie in den Heften für Kreatives Schreiben postuliert. Das Offene ermöglichen, nicht einem starren Sachbuch-Format folgen, sondern die Autorin mit hineinholen, sprechen, präsent sein lassen …

Und wenn das f-Heft Übungen aus dem a-Heft integriert – etwa mithilfe von Listen Freewriting zu trainieren – gibt sie eine Ahnung davon, wie wir im Kreativen Schreiben ein Netz knüpfen, wie vieles mit vielem zusammenhängt. Da werden die Hefte helfen, das Netz an der einen oder anderen Stelle aufzudröseln und für sich selbst neu zu knüpfen.

Mehr Bilder zu den Bildern

Was den Bänden gut täte, wäre die Sinnlichkeit ihrer Inhalte auf die Form zu erweitern, also Abbildungen etwa von Handgeschriebenem, von Inspirations-Notizen, von Akrostichons zu zeigen. Das mag urheberrechtlich komplex sein – etwa bei dem von ihr am Anfang des Anfangen-Hefts genannten Paul-Klee-Bildes „so fang es heimlich an“. Handschriften von Kirsten Alers wird es aber bestimmt viele geben, Zeichnungen, Fotografien ebenso. Damit ließe sich die Bedeutungsebene des Kreativen Schreibens ganz nebenbei erweitern, ins Offene hinein …

Über die Autorin

Christina Denz

Christina ist Journalistin, Schreibpädagogin, Dozentin und Initiatorin von Polgygonar, dem Content-Seminar. Außerdem betreibt sie den Garten-Blog Arcadia Revisited. Mehr Infos unter denz-berlin.de

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