Schriftstellerinnen beim Schreiben zusehen

„Schreibtisch mit Aussicht“ aus dem Kein & Aber Verlag

Noch ein Buch übers Schreiben. Das war mein erster Gedanke, als ich auf den Titel aufmerksam geworden bin. Wenn ich so ein neues Buch sehe, bin ich oft unsicher: Soll ich mir das auch besorgen? Manchmal tue ich es, manchmal nicht. Gleich vorweg: Bei diesem hat es sich auf jeden Fall gelohnt.

„Schreiben ist harte Arbeit, das gilt unabhängig vom Geschlecht, und es ist ein Synonym für allerhöchste Konzentration“, schreibt die Herausgeberin Ilka Piepgras im Vorwort. Passt das zur Leichtigkeit, zum Spielen im kreativen Schreiben? Ich finde schon. Denn steckt nicht auch Ernsthaftigkeit und Konzentration darin, sich das Spielen immer wieder zu erlauben?

Auch im Vorwort erzählt Ilka Piepgras, wie sie vor Jahren auf den Essay „Still just writing“ von Anne Tyler gestoßen ist und dies wiederum der Anstoß war für diese Anthologie von 24 Schriftstellerinnen, die über ihr Schreiben berichten: von Anne Tyler bis Elena Ferrante (in einem Interview mit Sheila Heti).

Haben Sie Arbeit gefunden?

Am besten haben mir die Beiträge gefallen, in denen es persönlicher wurde, was einfach an meinem Hang zu Geschichten liegt. So erzählt Anne Tyler in „Ich schreibe nur“ (oder eben „Still just Writing“), wie sie von einer anderen Mutter auf dem Schulhof angesprochen wurde, ob sie nur schreibe oder inzwischen eine Arbeit gefunden habe. Und das bleibt wohl so, dieses auch immer wieder Verzweifeln an der nicht-schreibenden Umwelt, egal wie viele Bücher eine Autorin schon veröffentlicht hat.

Neue Zitate für meine Post-it-Wand habe ich auch gefunden. So schreibt Eva Menasse: „Einer der großen Lehrsätze meiner Schreibkarriere stammt von Joyce Carol Oates. Sie soll einmal gesagt haben: ‚Die Leute glauben, ich schreibe den ganzen Tag. Dabei schreibe ich den ganzen Tag nur UM.‘“ Und auch in diesem Satz finde ich mich wieder. Das mag ein großer Vorzug dieses Buches sein, dass es sich so gut spiegeln lässt in den Erfahrungen und Geschichten der anderen.

Geniale Umwege

Bei allen Gemeinsamkeiten ist jedes Schriftstellerinnenleben dann doch auch wieder anders. „Indem ich auf Englisch schrieb, hatte ich eine kognitive Distanz, mit der ich mich leichter und vielleicht kühner fühlte. Seitdem wird jeder meiner Romane von einer professionellen Übersetzerin ins Türkische übersetzt, wonach ich mir das Manuskript vornehme und es mit meinem eigenen Wortschatz und Rhythmusgefühl umschreiben.“ So ist es für Elif Shafak, auf Englisch zu schreiben, obwohl das nicht ihre Muttersprache ist. Klingt wie ein Umweg, ist aber vermutlich ein genialer Umweg, um der eigenen Stimme immer wieder auf die Spur zu kommen.

Ich habe jedenfalls meine Lieblinge entdeckt in diesem Buch und bin auch neugierig geworden auf Schriftstellerinnen, von denen ich bisher noch nichts gelesen hatte. Und ich bin mir sicher: Beim nächsten Lesen werde ich wieder neue Stellen zum Anstreichen finden – oder als Zitat für ein Post-it.

Ein Buchtipp für den Gabentisch? Auf jeden Fall – für Frauen wie für Männer, für alle, die gern schreiben oder auch gern übers Schreiben lesen.

Die Autorin

Sigrid Varduhn ist Geschichten-Anstifterin. Ihre Schreibwerkstätten finden in Caputh, Potsdam, Berlin und online statt. Infos unter sigridvarduhn

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