„Schreiben ist ein einsamer Job.“ Dieses Zitat wird Hemingway, Asimov und einigen anderen zugeschrieben. Dahinter steckt der Mythos vom einsamen Schriftsteller. Er oder sie bringt wohlüberlegte Worte zu Papier, abgeschirmt von der Außenwelt.
Nur mein Roman und ich, allein im stillen Kämmerlein? Und das monate- oder sogar jahrelang? Für mich schon immer eine deprimierende Vorstellung. Wenn dagegen andere neben mir ihre Füller übers Blatt gleiten lassen oder mit ihren Fingern leise auf der Tastatur klappern, bin ich sofort gut gelaunt und motiviert. Kollektive Konzentration ist ansteckend. Seitdem ich das erkannt hatte, verabredete ich mich regelmäßig zum Schreiben. Zu zweit oder zu mehreren. In Bibliotheken, im Park oder im Kaffeehaus.
Corona-Schreibtief
Einigen von uns ging es bei diesen Treffen vor allem um die intensive Schreibzeit, anderen um die Geselligkeit. Gleichermaßen wertvoll waren für uns die Leserunden mit wertschätzendem Feedback. Das warme Gefühl, wenn jemand starke Formulierungen aufgezeigt oder an den richtigen Stellen gelacht hat. Aber auch die Möglichkeit, in vertrauter Runde zu besprechen, welche Textpassagen noch unklar waren, und warum.
Mit der Corona-Krise endeten diese Treffen – und damit kam mein Schreibtief. Mein angefangener Roman ruhte. Wochenlang, monatelang. Obwohl ich unerwartet viel Zeit zum Schreiben gehabt hätte, fehlte mir die Energie der Gruppe. Auch meine Wiener Schreibkolleginnen kämpften mit Kinderbetreuung, Existenzsorgen oder Homeoffice und hatten nur wenig Raum für ihre kreativen Projekte.
Gemeinsames Abenteuer NaNoWriMo
Im November 2020 habe ich mich aufgerafft und erstmals beim National Novel Writing Month (NaNoWriMo) mitgemacht. Dabei stürzen sich Schreibende weltweit in das Abenteuer, die Rohfassung eines Romans in vier Wochen „runterzuschreiben“. Ohne Qualitätsanspruch, dafür in Gemeinschaft: schon der Gedanke, dass zu dieser Zeit überall auf der Welt viele andere Menschen schreiben, beflügelt.
Rund um den NaNoWriMo gibt es unzählige Aktionen. Man kann auf einer eigenen Plattform (https://nanowrimo.org) seine täglichen Wortziele hochladen, sich in Foren vernetzen und sich auf Facebook, Twitter oder Instagram darüber austauschen. Ein ganzer Monat im Schreib-Ausnahmezustand. Allerdings kann dieses Drumherum auch hinderlich sein. Mein Ziel war es, endlich wieder in meinen Roman hineinzufinden. Doch wie sollte ich das schaffen, wenn ich mich täglich durch spannende Forumsbeiträge übers Schreiben klickte, statt selbst zu schreiben?
Der Fixpunkt: tägliche Online-Schreibtreffs
Andererseits… hätte ich Anfang November nicht wertvolle Schreibzeit in einer Facebook-Gruppe vertrödelt, hätte ich sie nie kennengelernt: meine neuen Schreibbuddys. Drei Autorinnen, mit denen ich mich seitdem online zum Schreiben treffe. Jeden Morgen um neun, eine Stunde lang. Wer Zeit hat, loggt sich ein. Wir plaudern kurz, legen unsere Schreibziele fest, und los geht‘s. Ein Fixpunkt, über den trüben NaNoWriMo-November hinaus. Zwischen uns liegen hunderte Kilometer und wir sind einander noch nie live begegnet. Dass wir ungefähr im selben Alter sind, ist ein netter Zufall. Unsere Schreibprojekte? Fantasy-Roman, Memoir, Kurzgeschichten… so unterschiedlich wie wir und unsere Leben.
Im Januar planen wir unsere erste Leserunde. Ich bin schon gespannt auf die Texte der anderen und freue mich auf ihr Feedback. Und mein Roman? Kommt endlich wieder voran. Bis ich meine Wiener Schreibkolleginnen wieder im Kaffeehaus treffen kann, wird noch einige Zeit vergehen. Schön, dass ich jetzt trotzdem nicht allein im stillen Kämmerlein vor mich hin schreiben muss.
Die Autorin
Christine Kämmer ist Schreibtrainerin und Sinologin in Wien. Als Amateurmusikerin setzt sie in ihren kreativen Workshops gern musikalische Schreibimpulse ein. Außerdem bloggt sie auf ihrer Website übers Schreiben und auf musedu über Musik.
Ein Gedanke zu „Mit Online-Buddies gegen das Corona-Schreibtief“